„Zukunft ist ein Möglichkeitsraum“, sagt die Zukunftsforscherin Florence Gaub. Je mehr Einfluss wir auf die Gestaltung dieser Möglichkeiten zu haben glauben, desto positiver nehmen wir Zukunft wahr. Die Stimmung hellt sich nun tatsächlich ein wenig auf, trotz rollender Insolvenzwelle, basierend auf neuen Auftragsvolumen der Sender und einem erhofften Ergebnis der Förderreform. Die Verschiebung des globalen Produktionsgeschehens nach Europa, weg von Hollywood, bietet hohes Potenzial. Netflix und Amazon produzierten 53% ihres globalen Contents im ersten Quartal außerhalb der USA. Das lokale Produktionsvolumen in USA ist um 40% im Vergleich zum Vorjahr und um 13% im Juni im Verhältnis zum Vormonat gesunken. Netflix und Amazon alleine beauftragten 215 bzw. 140 Produktionen, die meisten nicht englischsprachig. Was jetzt noch fehlt ist ein wettbewerbsfähiges Fördersystem in Deutschland.

Der wichtigste Faktor für die Produktionswirtschaft in Deutschland ist ein wettbewerbsfähiges, automatisches Fördersystem. In Großbritannien generiert das dortige Tax-Incentive-Modell jährlich etwa 2 Milliarden Pfund (insgesamt etwa 13 Milliarden Pfund Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt) und sorgt für Wirtschaftskraft mit knapp 90.000 Arbeitsplätze in etwa 16.000 Unternehmen. Die Reform des Filmfördergesetzes und das FFZulG als automatische Produktionswirtschaftsförderung sind essenziell. Da die Länder sich an dieser Steuerrückerstattung beteiligen müssten, im Vorgriff auf erst später abführbare, zusätzliche Steuern, kann gelöst werden.

In Anlehnung an andere Länder, in denen bereits ein Umsatzanteil der Verwerter (Sender und Streamer) im Inland in Inhalt investiert werden muss, bildet diese Investitionsverpflichtung eine dritte Säule, die allerdings nicht automatisch der Produktionswirtschaft in Deutschland zugutekommen muss, denn der deutsche Produzent erhält einen Produktionsauftrag. Das viele attraktive Produktionen aus Deutschland von deutschen Produktionsunternehmen auch heute nicht in Deutschland stattfinden, mag an der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit der Fördersysteme liegen, aber auch dann, wenn es sie gäbe, ist das längst keine Garantie für Auslastung und Arbeitsplätze. Programmverbreitung ist in Deutschland jedoch Ländersache und müsste deshalb eventuell durch eine Art Staatsvertrag verfassungssicher implementiert werden, was Jahre dauern könnte. Alle Branchenvertretungen fordern mit Nachdruck, schnell eine Perspektive, um kurzfristig Planungssicherheit zu erhalten. Die Alternative ist eine starke Konsolidierung und Abwanderung, was in keinem Interesse liegen kann.

Die US-Amerikanischer bieten dagegen fantastische Aussichten für die nächsten Jahre. Je nach neuer Strategie bei Paramount wird sich das „+“-Streaming-Volumen möglicherweise verringern. Bereits einleitend wurde erwähnt, dass die Produktionstätigkeiten aus USA immer stärker abwandern. Kanada und Europa könnten die größten Profiteure sein. 

Hier eine Liste der wichtigsten Produktionsbudgets für 2024 ohne Sport und Musik:
22,0 Mrd. USD von NBC Universal / Comcast
21,8 Mrd. USD von Amazon
19,5 Mrd. USD von Netflix
18,6 Mrd. USD von Disney
14,5 Mrd. USD von Warner Bros. Discovery
12,5 Mrd. USD von Paramount (starke Veränderung möglich)
4,5 Mrd. USD von Fox (gehört zum Disney Konzern)
4,5 Mrd. USD von Apple
1,5 Mrd. USD von Lionsgate
1 Mrd. USD von AMC Networks
Nicht in dieser Liste enthalten sind die zahlreichen nordamerikanischen Großunternehmen, die auch aktuell bereits in Deutschland und Europa produzieren.

Ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für die deutsche Produktionswirtschaft sind neben den internationalen Streamern und Major-Studios insbesondere der öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die großen (Major) Verleiher in Deutschland. Leonine, Constantin und Tobis bespielen Kinosäle und die Produktionsinfrastruktur, beschäftigen eine Vielzahl an produktionsbedingt Beschäftigten und beauftragen viele Kreative.

Dank gilt also diesen Unternehmen und den vielen, größtenteils Ehrenamtlichen in den Verbänden, die für die Zukunftsperspektive des Deutschen Filmstandorts kämpfen.

Euer Ensider:Team
(Autor: Markus Vogelbacher)

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