Die Angst vor neuen Technologien begleitet die Unterhaltungsindustrie und Filmkultur seit Anbeginn. Letztlich waren Farb- und Tonfilm genauso wenig aufzuhalten, wie Privatfernsehen und „Internetvideos“. Eine zutiefst beunruhigende Disruption erfährt die deutsche Filmwirtschaft im laufenden Jahr, begleitet von düsteren Prognosen und Insolvenzmeldungen. Dafür kann die KI vermutlich noch nichts, aber unübersehbare Vorboten zeugen von einer gigantischen Disruption. Unsere Branche wird sich verändern. Neue Workflows, Lösungen und Geschäftsmodelle werden Bekanntes ablösen oder zumindest verändern. Jetzt sollte entscheidend sein, die Chancen zu erkennen und frühzeitig zu nutzen. Wenn wir aus dem Jahr 2030 zurückblicken, werden wir unsere heutigen Herausforderungen anders bewerten und in einer neuen Alltagsrealität leben. Wir haben Branchenbeteiligte und KI-Systeme zu dieser Perspektive befragt.

Anlässlich des Filmfest München durfte Ensider erneut den Talent Summit ausrichten. Dank der Unterstützung durch den FFF FilmFernsehFonds Bayern und den Mitveranstaltern adag payroll service, Black Forest Studios, dem italienischen Serviceproduzenten Cattleya, International Film Partners, Ludwig Kameraverleih, OneGate Media und Optical Art sowie dem Hilton Munich City folgten 100 Gäste der Einladung zur Paneldiskussion. Wir wollten herausfinden, wie KI den Alltag von Filmschaffenden beeinflusst, welche Überlegungen daraus resultieren und welche Herausforderungen aktuell zu meistern sind.

Die Statements der Panelist*innen deckten sich weitgehend mit vielen anderen Gesprächen der letzten Monate: KI könnte den konkreten Wirkungs- und Arbeitsbereich massiv verändern, allerdings hat KI derzeit noch kaum sichtbaren Einfluss auf konkrete Abläufe, obwohl sich die überwiegende Mehrheit mit dem Thema befasst.

Ensider berichtet und kommentiert häufig technologische Entwicklungen in der Filmwirtschaft. Dabei erhalten oftmals die Innovationen und die Vorstellung neuer Möglichkeiten viel Fläche. Beim Talent Summit wollten wir den Betroffenen eine Stimme geben. Jetzt haben wir auch die führenden KI-Systeme befragt, wie sie unsere Zukunft einschätzen. Auch diese Feedbacks, man kann es wohl kaum „Meinung“ nennen, da KI-Systeme laut eigener Einschätzung nicht über eine eigene Meinungsbildung verfügen, spiegeln ein breites Spektrum wider.

Übereinstimmend zwischen Mensch und KI waren dies die größten Bedenken beim Einsatz von KI:

  • Rechtliche Unsicherheit, sowohl bezüglich einer etwaigen Haftung für die Richtigkeit von Daten und Informationen als auch für die Verwertbarkeit im Sinne einer rechtssicheren Rechtekette bei der Verwertung.
  • Transformation der Gesellschaft: Wie können wir alle mitnehmen und wie lassen sich Gräben zwischen den begeisterten und den verhaltenen Anwendern vermeiden?
  • Neue Werthaltigkeit: Wenn der klassische Screen-Value leichter verfügbar wäre, würde die Anzahl der Effekte steigen (ähnlich dem Einsatz von Videoeffekten in den 1990er-Jahren beim TV). Dadurch sinkt der Wert (=Value), während rare Elemente an Wert gewinnen. Live Performance, Live Content, Echtheit (ohne Filter), handwerkliche Individualkunst (herausragendes Schauspiel) und physische Fähigkeiten (live Experience) bzw. die Interaktionsmöglichkeiten werden wertsteigernd wirken.
  • Change-Prozess: Es wird zu Veränderungen bei der Nutzung von Medieninhalten und deren Erstellung kommen. Dadurch werden sich Geschäftsmodelle und in der Folge auch Marktteilnehmer ändern. Was sich technisch und nüchtern anhört, birgt für viele die Bedrohung ihrer Existenz. Hier müssen frühzeitig Brücken gebaut werden. Es sei an die Kopierwerksarbeiter gedacht, die jahrzehntelang in den Nächten und Wochenenden nach Kinostart schnell weitere Kopien für die Kinos herstellen mussten und im Zuge der digitalisierungsbedingten Aussortierung weitgehend ihrem Schicksal überlassen wurden.

Das Fazit der Gruppe der beteiligten Menschen:

  • Effizienzeffekte: Durch den Einsatz von KI kann Qualität erhöht und/oder Ressourceneinsatz verringert werden. Das sollte letztlich zu einer höheren Qualität der Produkte führen.
  • Marktentwicklung: Durch höhere Anpassungsmöglichkeiten an individuelle Nutzungsverhalten werden sich neue Märkte erschließen und Film als erzählendes Medium in der Attraktivität gesteigert, auch für Nutzer interaktiver Inhalte.

Die KI hat noch folgende Tipps:

  • Durch Hyperpersonalisierung werden sich Dramaturgie und Nutzerinteraktion verändern. Statt der generischen Identifikationsfigur für bestimmte Zielgruppen, werden sich Inhalte und Handlungen adaptiv anpassen. Content-Verbreiter*innen werden sich zu dieser Nutzungsform hin entwickeln.
  • Basierend auf anderen technologischen Entwicklungen werden sich Arbeitsplätze und Aufgaben verschieben. Durch die ohnehin ständige Transformation (vom Segel- zum Dampfschiff, vom Pferd zum Auto, vom Filmlabor zur Digitalkamera) haben sich Märkte stets vergrößert. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen überkompensiert den individuellen Transformations-Aufwand.

Generell zeigen sich bereits Entwicklungen zu mehr zentralen Kompetenzdienstleistern und Extremsparten-Anbietern. Einfachere Dienstleistungen werden in größeren Einheiten zusammengefasst und dort mit Schnittstellen-Kompetenz als umfassende Gesamtlösung angeboten. Individuelle Einzellösungen mit kurzen Innovationszyklen und hohem Anteil an menschlichem Spezialwissen werden bei einer wachsenden Anzahl an Expert*innen verortet.

Um maximale Kreativität mit dem Synergiepotenzial zu verbinden, vergrößern sich einerseits Produktionsstrukturen, diese binden andererseits zunehmend Kreative aller Wertschöpfungsschritte an sich – ähnlich wie die Major-Studios vor 100 Jahren.

Mit wachem Geist und Interesse an neuen Entwicklungen lassen sich insgesamt große Chancen und eine nachhaltige Entwicklung ableiten. Wir freuen uns, euch auf diesem Weg begleiten zu dürfen.

P.S. Die verwendete KI-Systeme waren: Opus Claude 3, ChatGPT 4.0 und Gemini Advanced.

Dein Ensider:Team
(Autor: Markus Vogelbacher)

  Image by IFP / Thorsten Schaumann (Internationale Hofer Filmtage), Annelena Köhler (LfA Förderbank Bayern),
  Markus Vogelbacher (Ensider), Daniela Kiefer (Schauspielerin), Laura Klein (Stories of Her – Bloggerin,
  Produktionsmanagerin), Annette Reeker (Showrunnerin, Anne T. Film), Prof. Corinna Mehner (HFF, Blue Eyes Fiction)