Der Marché du Film 2025 zeigt sich rationalisiert: Käufer agieren gezielter, Preise steigen weiter, aber mit schärferem Blick auf Realisierbarkeit und Return-on-Investment.
Kalkulierter statt spekulativer Markt
Die Croisette war voll, das Wetter mediterran, das Interesse groß – und doch war die Grundstimmung auf dem diesjährigen Cannes-Markt spürbar verhaltener. Hinter den Kulissen herrschte ein anderer Ton: weniger Euphorie, mehr Strategie. Zwar wechselten auch 2025 Millionenbeträge für Festival-Titel den Besitzer, doch der Fokus lag auf wirtschaftlicher Stringenz, statt auf impulsgetriebenem Bietverhalten.
Preisblase bei Wettbewerbs-Titeln, Mid-Segment unter Druck
Wettbewerbsfilme und Werke aus Un Certain Regard erzielen weiterhin siebenstellige Mindestgarantien – teilweise noch vor dem ersten Screening. Doch das Risiko ist gestiegen. Käufer aus Deutschland, Benelux und dem Vereinigten Königreich berichten von hohen Preisforderungen, die in keiner Relation zur realen Auswertung stehen.
Ein prominentes Beispiel: Parthenope – hochgehandelt, doch kommerziell enttäuschend. Der Markt hat gelernt: Während Premiumtitel ihre Budgets tragen können, bleibt das Mid-Budget-Segment das unsicherste Feld. Viele Distributoren ziehen sich daraus zurück oder verhandeln deutlich unter Angebotspreis.
Geopolitische Störsignale: US-Zoll-Debatte verunsichert
Ein kurzfristig vorgeschlagener 100%-Zoll auf ausländische Filme durch Präsident Trump schlug kurz vor Festivalbeginn Wellen. Auch wenn die meisten Branchenteilnehmer von symbolischer Rhetorik sprechen, sorgte der Vorstoß für Irritationen bei internationalen Verkäufern und Finanzierungsstrukturen mit US-Bezug. Cross-border-Finanzierungen bleiben anfällig.
Kino bleibt Gradmesser – doch die Märkte fragmentieren
Trotz wachsender Bedeutung nicht-theatrischer Fenster bleibt die Kinoauswertung der entscheidende Hebel für Werthaltigkeit. In Märkten wie Frankreich, Deutschland und den Niederlanden beobachten Experten jedoch einen extremen „Winner-takes-all“-Effekt. Nur wenige Titel ziehen – der Rest fällt durchs Raster.
Modelle wie Cineville (NL) oder Nonstop (AT) stärken punktuell Reichweite und Zielgruppenbindung, doch das strukturelle Problem bleibt: Das „sichere Mittelfeld“ ist aufgelöst. Distributoren investieren gezielter in Startstrategien, PR-Handling und datenbasierte Platzierung, um im Kino Sichtbarkeit und Signale für nachgelagerte Fenster zu generieren.
Streaming verändert Taktik – AVOD bleibt schwer fassbar
Streamingschwergewichte wie Netflix, Amazon oder Max agieren selektiver: Fokus liegt auf IP-Stärke, Marketingpotenzial und Synergieeffekten. Breite Einkaufswellen gehören der Vergangenheit an.
AVOD-Angebote wachsen zwar, bieten jedoch mangels Transparenz und Konsistenz keine stabilen Erlösmodelle. Für viele Produzenten bleiben diese Plattformen Ergänzung – nicht Motor.
Vertikale Integration: Rechte sichern beginnt vor Drehbeginn
Immer mehr europäische Distributoren bewegen sich upstream. Unternehmen wie Pyramide, Vue Lumière und Alamode investieren bereits in der Projektentwicklungsphase, sichern sich Rechte frühzeitig und gestalten Produktion und Marketing mit.
Was einst primär kreative Zusammenarbeit war, wird heute zur betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit. Wer nicht mitproduziert, zahlt später zu viel – oder bleibt außen vor. Doch frühes Engagement bringt neue Herausforderungen: komplexere Förderlandschaften, kreativer Konsens über Ländergrenzen hinweg, längere Kapitalbindung.
Fazit: Cannes bleibt relevant – für die, die vorbereitet sind
Der Marché 2025 markiert eine neue Marktrealität. Erfolgreich ist nicht mehr, wer laut bietet, sondern wer präzise plant. Deals entstehen dort, wo wirtschaftliche Machbarkeit auf kreative Vision trifft – früh, gezielt, fundiert.
Cannes bleibt Schlüsselmoment im Weltvertrieb – aber nur für Akteure mit Struktur, Daten, Risikobewusstsein und realistischen Erwartungen. Der rote Teppich mag glänzen – aber verhandelt wird im Schatten.
FILMTAKE berichtet ausführlich.