Am 19. Mai stellte das Göteborg Film Festival auf dem Marché du Film in Cannes die zwölfte Ausgabe seines jährlichen Nostradamus-Reports vor. Der Bericht mit dem Titel „Reality/Resistance“ (Realität/Widerstand) wurde von der Medienanalystin Johanna Koljonen verfasst und beleuchtet die Zukunft der audiovisuellen Branche in einer Zeit globaler Krisen und tiefgreifender Umbrüche.
Seit 2013 analysiert der Nostradamus-Report die rasanten Entwicklungen in der Film- und Medienwelt. Basierend auf umfassender Recherche und Gesprächen mit Expertinnen und Experten der Branche, bietet er fundierte Ausblicke auf kommende Veränderungen. Die diesjährige Ausgabe betont, dass die Filmindustrie lernen müsse, der Realität nicht länger auszuweichen, sondern ihr aktiv und widerstandsfähig zu begegnen. Der Bericht ruft zu einem neuen Selbstverständnis auf – eines, das kreative Freiheit schützt, Verantwortung übernimmt und sich wieder stärker dem Publikum zuwendet.
In einer Welt, die von Unsicherheit, Kriegen, wirtschaftlicher Instabilität und dem Rückbau demokratischer Strukturen geprägt ist, verlieren klassische Prognosen an Bedeutung. Stattdessen braucht es strategische Vorbereitung und strukturelle Resilienz. Die globale Vernetzung der Branche bringt dabei sehr unterschiedliche Herausforderungen mit sich – von Inflation bis Zensur –, doch der Ruf nach Solidarität eint viele Akteurinnen und Akteure. Kunst wird in dieser Lage politisch, ob gewollt oder nicht. Der Bericht fordert daher eine bewusste Verteidigung redaktioneller Unabhängigkeit und warnt vor Selbstzensur und ideologischer Einflussnahme.
Gleichzeitig schwächt sich Hollywoods Rolle als globaler Taktgeber ab, was neue Chancen für lokale und internationale Filmschaffende eröffnet. Der Report prognostiziert, dass in den nächsten Jahren vielfältigere Erzählungen mit breiter Wirkung entstehen werden – getragen von neuen Stimmen, anderen ästhetischen Ansätzen und alternativen Machtzentren. Doch um diese Entwicklung nachhaltig zu gestalten, müsse sich die Branche auch strukturell erneuern. Die traditionellen Modelle der Stoffentwicklung und Distribution seien nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen plädiert der Report für flexiblere, interdisziplinäre Arbeitsweisen und experimentelle Formen der Publikumsansprache.
Besonders betont wird zudem die Notwendigkeit, sich wieder stärker auf lokale Zielgruppen zu konzentrieren. In Zeiten schrumpfender öffentlicher Unterstützung ist das nicht nur eine Überlebensfrage, sondern auch eine Frage der gesellschaftlichen Relevanz. Filme sind nicht nur Kunst, sie haben auch eine wichtige kulturelle und öffentliche Funktion. Die Verbindung zum Publikum vor Ort ist essenziell.
Trotz aller Herausforderungen endet der Bericht nicht pessimistisch. Vielmehr hebt er hervor, wie viele beeindruckende Filme und Serien derzeit entstehen – oft unter schwierigen Bedingungen. Neue Technologien und erschwinglichere Produktionsmittel ermöglichen es mehr Menschen, ihre Geschichten zu erzählen. Darin liegt Hoffnung, Inspiration und das Potenzial für eine neue Generation von Filmschaffenden.
Der Nostradamus-Report 2025 wurde in Cannes im Rahmen des „Cannes Next“-Programms von Johanna Koljonen vorgestellt. Anschließend diskutierten die Produzenten Roman Paul (Razor Film) und Katarina Tomkova (kaleidoscope & Punkchart films) zentrale Themen des Berichts auf einem Podium.
Das Nostradamus-Projekt, initiiert vom Göteborg Film Festival, beobachtet kontinuierlich die Zukunft der Film- und Medienbranche. Unterstützt wird es von Partnern wie BoostHBG, German Films, Kulturakademin, Lindholmen Science Park sowie durch Fördermittel von Creative Europe MEDIA, Nordisk Film & TV Fond und der Region Västra Götaland.
Das Göteborg Film Festival stellt den Report Reality/Resistance kostenfrei als PDF zum Download bereit.