Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) verengt zunehmend die Beurteilung vormals typischer Tätigkeiten von Selbständigen. Die meisten Filmschaffenden werden ohnehin projektbezogen befristet abhängig beschäftigt. Der entsprechende Tarifvertrag wird gerade verhandelt. Die Beurteilung für diese Personengruppe ist gerade in Bezug auf den sozialversicherungsrechtlichen Status nicht unkompliziert. Viele Sonderfälle, wie verschiedene Formen der Unständigkeit, fließen in die jeweilige Beurteilung ein. Expertinnen und Experten und Künstler rechnen ihre Leistung als selbständige ab und können deshalb einfach zwischen verschiedenen Projekten und Unternehmen wechseln. Gerade aber diese viel zu raren Spezialisten, deren Leistungen regelmäßig nicht den früheren Arbeitnehmerkriterien der DRV entsprach, werden zunehmend als solche von der DRV eingruppiert. Der offensichtliche Versuch, mehr Einzahler für die Sozialversicherungssysteme zu akquirieren, verursacht einen nachhaltigen, unwiderruflichen Schaden für die Filmwirtschaft.
In der Notfallmedizin und Pflege hat die DRV bereits Lücken in die Versorgung geschlagen, die auch bemühte Sozialgerichte nicht zu verhindern wussten. Notärzte legen sich seither auf einen Rettungsdienst fest oder investieren ihre Freizeit nur noch eingeschränkt durch die finanziellen Nachteile des neuen Systems, da sie auf zahlreichen Kosten sitzenbleiben. Bei bestimmten Spezialistinnen und Spezialisten für Dreh, VFX und Postproduktion werden die Statusfeststellungen von Jahr zu Jahr ebenfalls immer abstruser. Den traurigen Höhepunkt bildet die jüngste Entwicklung, Honorar(hochschul)lehrer als abhängig Beschäftigte zu klassifizieren. Während die Clearingstelle für sich in Anspruch nimmt, Gesetzen und Rechtsprechung neutral zu folgen, ist der Politik scheinbar nicht bewusst, welche Folgen das für den Standort haben wird. Der Gesetzgeber ist gefordert, hier dringend Klarheit zu schaffen.
Eine selbständige Tätigkeit, zeichnet sich durch einige Wesensmerkmale aus. Während abhängig Beschäftigte bezüglich der Art und Weise, dem Ort und der Zeit ihrer zu erbringenden Leistungen den Weisungen im beauftragenden Unternehmen unterliegen, obliegt Selbständigen viel Handlungs- und Organisationsverantwortung und -freiheit. Gleichzeitig übernehmen Selbständige Fürsorgeaufgaben für sich selbst, entwickeln sich selbst weiter, organisieren die nötigen Arbeitsmittel selbst und investieren nicht zuletzt viel unbezahlte Zeit mit der Erfüllung zahlreicher Dokumentations- und Verwaltungspflichten, die sich zudem ständig ändern und deren Veränderungen selbständig verfolgt werden müssen. Selbständige führen Steuern und Versicherungsbeiträge, teilweise sogar Sozialversicherungsbeiträge, selbständig und auf Basis ihrer Nettoerträge ab. Dadurch ist der Wechsel zwischen verschiedenen Auftraggebern einfach, unkompliziert, kurzfristig und schnell möglich.
Nur durch dies Art des Leistungsverhältnisses ist es überhaupt möglich, Spezialisten mehreren Unternehmen zugänglich zu machen. „Echte“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen bei mehreren Arbeitgebern ab dem zweiten Arbeitgeber die unattraktive Lohnsteuerklasse 6 verwenden und Steuern berechnen sich auf Basis des Bruttoentgelts. Da sie dennoch viele Aufwändungen übernehmen, die ansonsten von einem permamenten Betrieb getragen werden würden, können diese Kosten im Rahmen der normalen Freibeträge gar nicht untergebracht werden. Diese Personen zahlen so deutlich mehr Steuern und gehen durch die hohe Steuerklasse auch massiv in zeitliche Vorleistung gegenüber dem Staat.
Daraus ergeben sich logische Folgen:
- Spezialisten können nur noch für ein Unternehmen tätig werden. Die Kompetenzen werden bei den wenigen Großunternehmen gebündelt und kleine Unternehmen sind nicht in der Lage auf solche Leistungen zurückzugreifen.
- Spezialwissen wird ins Ausland abwandern. Viele Expertinnen und Experten werden sich ihre Freiheit nicht nehmen lassen und im internationalen Wettbewerb in andere Standorte ziehen.
- Die betroffenen Branchen, insbesondere Postproduktion und VFX, werden ihre lokalen Produktionskapazitäten anpassen müssen. Eine Angebotsverringerung wird mittelfristig zu höheren Preisen und einem weniger attraktiven Standortangebot führen. Das schadet den lokalen Auftraggebern und schwächt die deutsche Kreativwirtschaft insgesamt.
- Ausbildungsstätten und Hochschulen werden Kompetenzen verlieren. Die Ausbildung wird dadurch massiv an Qualität einbüßen. Manche Qualifizierung wird künftig in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig angeboten werden können.
Jetzt sind Gesetzgeber und Politik gefordert, schnell die nötigen Konsequenzen zu ziehen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern. Das Bewusstsein für diese Konsequenzen muss an die Verantwortlichen von der gesamten Branche kommuniziert werden.
Dein Ensider:Team
(Autor: Markus Vogelbacher)
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