Während der jährliche Nostradamus-Report versucht, in die Zukunft zu blicken, diskutierte Cannes über die Erkenntnisse aus dem vergangenen Jahr. Wie hat sich der globale Markt durch Streik, Krieg und Marktverschiebungen verändert? Welche Entwicklungen sind durch KI und verändertes Nutzerverhalten zu erwarten? Beim Filmfest an der Côte d’Azur diskutierten globale Player und einflussreiche Entscheiderinnen und Entscheider, was uns wohl alle betreffen wird. Zudem hängt die Überlebensfähigkeit von jedem Produktionsstandort weltweit an den jeweiligen Rahmenbedingungen in einem zunächst schrumpfenden Produktionsmarkt. Filmförderung ist dabei erneut ein zentrales Thema. Wir fassen die wichtigsten Fakten zusammen.

Der Nostradamus Report (abrufbar in der Mediathek bei Ensider:Premium) wird jährlich vom Göteborg Film Festival beauftragt und fasst die Expertenmeinungen der Filmindustrie zu den wichtigsten, zukunftsweisenden Effekten zusammen. Bereits im ersten von sieben Aspekten wird die umfassende Veränderung unserer Branche konkretisiert: „Veränderungen im breiteren audiovisuellen Markt werden als existenzielle Bedrohungen für traditionelle Film- und Fernsehproduktionen wahrgenommen, und die anhaltenden Klimakrisen, Kriege und Bürgerunruhen werden unvorhersehbare Auswirkungen auf Märkte, Industrien und Künstler haben.“ (1. Paradoxically, Hope).

Was zunächst düster anmutet, entpuppt sich nach wenigen Zeilen als visionärer, motivierender Ausblick auf eine mögliche Zukunft. Der Bericht liefert ungewöhnliche Perspektiven, ohne den Anspruch auf hellseherische oder gar distopische Prognosen zu erheben.

Besonders KI und virtuelle Produktion werden dort als besondere Chance beschrieben. Und nicht nur in diesem Punkt verschieben sich die abstrakt gezeichneten Bilder mit den sonnigen Eindrücken vom größten Filmfestival der Welt, wieder, zu einem gemeinsamen Bild.

Technologie ist längst nicht mehr der limitierende Faktor für die Erzählung von Geschichten. Die fehlende Verknappung wird klassische Präsentationen womöglich entwerten und das Nutzungsverhalten von Kurzforminhalten zusätzlich für Veränderungen sorgen. Authentizität, Realität und Mobilität könnten andere, wertstiftende Elemente für audiovisuelle Geschichten der Zukunft darstellen – so wie heute futuristische Effekte und mit Selbstinszenierung und Marketing aufgeladene Stars. Diskussionen, die bei verschiedenen Konferenzen von den globalen Marktführern geführt werden sollten uns zu denken geben.

Allein der letztjährige Streik hatte Auswirkungen auf 79 Kinoproduktionen und 17 Streamingproduktionen der US-Studios und Streamer. Warner Bros wird dieses Jahr mit weitem Abstand der profitabelste Verleih, Netflix das einzig profitable Streamingangebot sein – laut offiziellen Planungen der Unternehmen.

Die größten Produktionsbudgets der letzten 5 Jahre wurden von Disney verantwortet, darunter 8 der 10 teuersten Produktionen. Avengers: Endgame und Avatar: The Way of Water verbrauchten gemeinsam über 700 Millionen US-Dollar Herstellungskosten. Allerdings hatte Disney weniger Filme als die Wettbewerber veröffentlicht. Gleichzeitig nutzten sie Studio-Infrastruktur und große VFX-Kapazitäten aus dem eigenen Konzern. Als Produktinsstandort spielen wir bei Produktionen, mit einem Budget das dem Jahres-Programmetat eines deutschen Senders entsprechen kann, nur mit wettbewerbsfähiger Förderung eine Rolle.

Für die US-Majors entwickelt sich China weiter zu einem immer wichtiger werdenden Markt, mit zuletzt 22,9% Marktanteil am globalen Einspiel – in Zahlen 7,8 Mrd. US Dollar im letzten Jahr. (Quelle Comscore)

Beim Ranking der Filmfestivals führt Cannes mit 258 Filmen erneut die großen 5 Festivals an; noch vor Berlin mit 221 Filmen.

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Dein Ensider:Team
(Autor: Markus Vogelbacher)