Jetzt wird die Luft für viele Produktionsunternehmen wirklich dünn! Die maue Auftragslage schwelt, zudem entstehen unerwartet neue Glutnester durch EU-Regulatorik, die den Abruf von Förderungen erschwert: Ein Potpourri aus ungewisser Förderreform, kurzfristigen Absagen von Produktionsaufträgen und stetig steigenden Mehrkosten generieren ein toxisches Umfeld der Unplanbarkeit für Unternehmen. Finanzierungspartner verlieren zunehmend Vertrauen in den Standort Deutschland und wenden sich stabileren Standorten zu. Beim Filmfest in Zürich waren die Signale klar: Investitionskapital ist in großer Menge vorhanden und an Filmwirtschaft interessiert, aber immer weniger in Deutschland.
Für die herstellenden Gewerke wie Produktions- und Dienstleistungsunternehmen löst sich dieser vage Nebel der Ungewissheit nicht auf. Die Reform der Filmförderung ist essenziell. Dabei sollen komplett neue Strukturen geschaffen und Ideen anders umgesetzt werden als bisher – von einer Bundesregierung, die sich bereits bei vielen anderen Themen mit der Umsetzung schwertat. Der Prozess zur Einigung von politischen Vorhaben dauert lange, wird von gegenseitigen Vorwürfen und öffentlichem Querfeuer begleitet. Der mühsam gefundene Kompromiss wird dann im zuständigen Ministerium lange nicht umgesetzt, bis schließlich die öffentlich polarisierte Diskussion den Druck überhöht und Verantwortliche einknicken, sich gar öffentlich distanzieren. Wie man aktuell bei den zahlreichen Networking-Events von Kammern, Verbänden, Banken und Branchenevents heraushören kann, bereiten die fehlende Führungsstärke des Kanzlers, seine Fraktionspartner zusammenzuhalten, und die generelle Absenz von Change-Kompetenz in allen politischen Lagern den Geschäftsführungen Sorgen.
Die EU zwingt mit einer Überarbeitung für sogenannte Unternehmen in Schwierigkeiten Förderer faktisch, die Auszahlung für bereits genehmigte Projekte auszusetzen. Der Grund liegt in Mindestquoten für Stamm- und Eigenkapital. Gerade diese Kennzahlen sind jedoch in Unternehmen, die immaterielle Wirtschaftsgüter herstellen, schwer zu erreichen. Erschwerend kommt das seit Jahren bemängelte Konzept der Wertschöpfung in Deutschland hinzu. Die Herstellungskosten liegen in vielen anderen Ländern deutlich unter den deutschen Herstellkosten, darunter auch Länder wie Großbritannien. Wirtschaftsgüter werden normalerweise so günstig wie möglich mit vermarktungsfähigen Qualitätseigenschaften hergestellt, da der Gewinn des Herstellers in der Differenz aus Verkaufs- und Erstellungswert liegt. In Deutschland hingegen partizipiert der Produzent im Verhältnis zum getragenen Risiko jedoch deutlich schlechter und meistens gar nicht am Erfolg eines Films. Spart er Kosten in der Produktion, muss er Förderung zurückzahlen und seine (einzige) Ertragsmöglichkeit, die prozentuale Vergütung (gemessen am Budget), sinkt. Das gesamte Verwertungs-, Förderungs- und Wirtschaftssystem folgt dieser Logik. Das kostet Gewinne, die dringend für die Stärkung des Eigenkapitals nötig wären. Die neuen Richtlinien setzen deshalb auch insbesondere deutsche Produktionsunternehmen unter Druck.
Kompensiert wurden die Folgen dieser Mechanik durch hohe Auftragsvolumen von Sendern, später von Streamern und unterstützt durch ausländische Produktionen, die mit Förderanreizen nach Deutschland gelockt wurden. Die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der Herstellungsförderung und die Auftragsflaute für die Produktions-Wertschöpfung erzeugen extrem herausfordernde Rahmenbedingungen. Aktives Krisenmanagement benötigt wenigstens Planungssicherheit, um die Akquise von frischem Kapital oder die Dauer von Maßnahmen zu konkretisieren.
So berichten beim Züricher Filmfest internationale Produzent*innen von einer Vielzahl an privatwirtschaftlichen Finanzierungsmöglichkeiten. Auch auf Investoren-Veranstaltungen wird ein hohes Interesse an der global wachsenden Entertainmentindustrie beschworen. In Deutschland allerdings zeigen sich zwei Trends: Einerseits bilden sich immer größere Unternehmensgruppen, zum anderen punkten agile Unternehmen mit innovativen Lösungen. Gerade Dienstleister erfinden sich neu, suchen sich neue Nischen im veränderten Marktumfeld zwischen Programmerstellung und Publikum. „Straight to …“ ist ein neues Konzept und beschreibt die direkte Verbindung von Handelsmarken mit möglichen Konsumenten, bzw. von Creators zu ihrem Publikum. Gerade Dienstleistungsunternehmen überzeugen deshalb mit ihrer erlernten Anpassungskompetenz mögliche Investoren.
Euer Ensider:Team
(Autor: Markus Vogelbacher)