Die diesjährige USA-Delegationsreise eröffnete einen Blick in ein gespaltenes Land: Einerseits gelebte Zukunftstechnologie mit Robotertaxis und tausenden Lieferdrohnen, andererseits die erfolgreiche Bewirtschaftung traditioneller Märkte. Walmart feiert Rekordergebnisse, und die mittelfristige Wachstumsrate für Kinoumsätze wird dort immerhin auf 7 bis 9 Prozent prognostiziert. Die Angst vor „Trump 2.0“ lenkt den Blick nach Europa und verleiht dem unwürdigen Politikschauspiel eine internationale Bühne. Zurück in Deutschland diskutiert die Politikblase in Berlin-Mitte über Personalfragen, während die für das ganze Land überlebenswichtigen Wirtschaftsthemen auf der Strecke bleiben. Wo bleiben die mühsam errungenen Fortschritte zur Verringerung der Nachteile am Standort? Wo bleiben die dringend nötigen Reformen in der Filmförderung? Keine der derzeit im Bundestag vertretenen Parteien hatte in der letzten Bundestagswahl das Thema Kultur und Wirtschaft in einer Form auf der Agenda, die es in den Wahl-O-Mat geschafft hätte. Stattdessen dominierten Debatten über Kopftuchverbote und Tempolimits. In Deutschland werden Parteien gewählt, die später Regierungsämter besetzen – der Begriff „Kanzlerkandidat“ ist daher an sich schon irreführend. Es braucht verantwortungsvolle Politik für den Wirtschaftsstandort und die Umsetzung der dringend benötigten Reformen – JETZT!

Die Hoffnung, dass man sich in den USA der politischen „Armageddon-Stimmung“ in Berlin nicht bewusst wäre, hat sich nicht bestätigt. Akteure, die sich mit internationalen Märkten und Produktionsmöglichkeiten beschäftigen, hatten trotz des Wahlschocks in den USA die Nachrichtenlage aus Deutschland im Blick. Das Unverständnis über die fehlende Klarheit bei der Terminplanung für die Bundestagswahl, die Sitzungen des Bundestages und die Einführung der lange angekündigten neuen Filmförderung war weit verbreitet. Der Blick von außen auf Deutschland ist nicht besser als der deutsche Blick auf die USA: Handlungsunfähigkeit und fehlende Planungssicherheit lassen sich im Rückblick besser erkennen als in der rückwärtsgewandten Medienblase, die sich auf Ursachenforschung beschränkt. Nur wenige Medien bieten den Problemen der Menschen tatsächlich Raum für Projektion und Reflexion.

Die amerikanische Entertainmentindustrie eilt der deutschen Fernsehwirtschaft weit voraus. Kino spielt hierzulande nur für wenige Produktionsunternehmen eine wirtschaftlich relevante Rolle. Diese Unternehmen hängen am Tropf von Auftragsproduktionen, die immerhin noch vorhanden sind. Im internationalen Vergleich profitiert Deutschland von starken Kreativen und effektiven Strukturen. Dennoch ist das nach wie vor überdurchschnittlich hohe Produktionsvolumen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gesunken. Hinzu kommen Planungsunsicherheit, kurzfristige Absagen und die fehlende Wettbewerbsfähigkeit durch die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die inzwischen existenzbedrohend für die Produktionswirtschaft sind. Zahlungsverzug und insolvenzbedingte Totalausfälle belasten vor allem Dienstleistungsunternehmen in der Lieferkette. Unternehmen, die jetzt verschwinden, werden mittelfristig kaum wieder entstehen können – die Investitionslasten und der spezialisierte Fachkräftebedarf sind schlicht zu hoch. Das schwächt den Standort insgesamt und setzt auch Produktionsunternehmen unter Druck. Ein sinkendes Angebot wird Preise und Verfügbarkeit weiter treiben.

Gleichzeitig nehmen die Angebote und Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, Metaverse-Anwendungen und Plattformlösungen (SaaS) stetig zu. Wie das Branchenmagazin Variety kürzlich berichtete, erobern Metaverse-Anwendungen wie Roblox – weitgehend unbeachtet von deutschen Medienmachern – Zielgruppen unterhalb von TikTok und untergraben langfristig die Wertschöpfung traditioneller Modelle. Es ist höchste Zeit, aus der Blase aufzutauchen.

Euer Ensider:Team
(Autor: Markus Vogelbacher)

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